Als Nachfolgerin von Mirta Gardi übernahm ich, Brigitta Loosli-Schlipf, die Stelle der Sozialarbeiterin in einem Pensum von 90%.
Der Verlagerungsprozess von Pensen in der gesamten Kirchgemeinde setzt ein. Davon sind auch die Sozialdienste betroffen. Mit meinem Stellenantritt wurden 10 Stellenprozente zum Ausbau an die Fachstelle Diakonie verschoben.
Die kirchliche Sozialarbeit lernte ich während meines Praktikums in der Pfarrei St. Michael kennen. Die Aufgaben im Maihof mit dem Schwerpunkt der Sozialberatung, eingebettet in eine offene und sozialpolitisch ausgerichtete Theologie, haben mich angesprochen. Wenn schon eine Anstellung in der Kirche, dann kommt nur der Maihof in Frage, habe ich mir gesagt. Das gesellschaftliche Umfeld war sehr kritisch gegenüber der Kirche eingestellt. Der kirchlichen Sozialarbeit wurde die Professionalität abgesprochen und die Sozialarbeiterin als Pfarreihelferin mit einer altruistischen Motivation betrachtet. Das Potential für eine lebensraumorientierte Soziale Arbeit wurde nicht gesehen und abgewertet, sodass ich mich oft rechtfertigen musste. Aufgewachsen in der Enge eines streng katholisch geprägten Dorfes in Süddeutschland, war für mich persönlich auch Befreiung aus religiösen Zwängen angesagt. Im Rückblick hat der vielbeschworene «Maihofgeist» genau das bewirkt, was einer homöopathischen Therapie sehr ähnelt: Gleiches mit Gleichem behandeln.
Aus familiären Verpflichtungen kam mir die Möglichkeit die Stelle aufzuteilen, sehr entgegen. Im Herbst 2002 kam Silvia Kuhn-Rüttimann ins Team und übernahm den Schwerpunkt Sozialberatung mit 30 Stellenprozenten. Nach wie vor war die Nachfrage nach freiwilliger Beratung gross, sodass ich auch einen Teil Beratungsarbeit übernommen habe. Im Sinne von freiwilligen Beistandschaften machten wir Lohnverwaltungen oder die Abrechnungen der Krankheitskosten ist über uns gelaufen. Die persönliche Beratung in allen Lebenslagen war das Fundament unserer Arbeit. Die Weiterentwicklung kann am besten als «Hausarztmodell» beschrieben werden. Wir haben uns als niederschwellige Anlaufstelle für alle Menschen aus der Pfarrei positioniert, mit den Hilfesuchenden eine Auslegeordnung gemacht und sie bei Bedarf an spezialisierte Stellen vermittelt. Die Rolle als «Casemanagerin» wurde immer wichtiger wegen der Spezialisierung im sozialen Netzwerk. Es zeigte sich vor allem bei der Migrationsbevölkerung ein Bedarf an Vernetzung im Quartier. Ich habe erlebt, dass eine Mutter mit drei Vorschulkindern einen Deutschkurs in Emmenbrücke besucht hat. Die Kinder wurden im Maihof eingeschult und die Mutter hatte keine Gelegenheit Kontakte zu anderen Eltern im Quartier aufbauen zu können. Aus dieser Notlage ist ein Deutschkurs mit Kinderbetreuung im Maihof entstanden. Zuvor hatte schon die Stadt Luzern mit Sybille Stolz als Integrationsbeauftragte die runden Tische im Maihof initiiert, woraus bekanntlich der Verein «Zusammen leben Maihof-Löwenplatz ZML» entstanden ist. Um die Nachhaltigkeit des Projekts sicher zu stellen, hat die Pfarrei Maihof Stellenprozente für die Leitung des Vereins zur Verfügung gestellt. So habe ich die Pionierphase als Präsidentin mitgeprägt. Unvergessen bleiben die Feste am Rotsee und die Abendtische. Ein lebendiges Netzwerk, das nicht mehr wegzudenken ist.
Die Schaffung der Profilangebote in den Pfarreien, die mit Milieustudien einherging, wurde jedoch dem Bedarf an Sozialarbeit nicht gerecht. Die Stellenprozente wurden nach Anzahl der Kirchenmitglieder in den einzelnen Pfarreien berechnet und nicht nach den Milieus in den Quartieren. Dies und die Anbindung des Innerschachens (Gemeinde Ebikon) an die Pfarrei Ebikon hatten eine Pensenreduktion des Sozialdienstes von 90% auf 65% zur Folge. Um die Qualität der Sozialen Arbeit sicher zu stellen, war eine Schwerpunktsetzung unabdingbar. Auf Anregung von von Silvia K. haben deshalb die Pfarreileitungen vom Maihof und Leodegar Verhandlungen für eine pfarreiübergreifende Zusammenarbeit aufgenommen. Die Sozialberatung hatte im Maihof einen hohen Stellenwert. Aufgrund der Grösse und der entsprechend hohen Anzahl an Kirchenmitgliedern war Leodegar mit Stellenprozenten gut ausgestattet, der Bedarf an Sozialberatung eher gering. Deshalb wurde fortan die Sozialberatung in den Maihof verlagert und im Gegenzug engagierte sich der Sozialarbeiter im Leodegar pfarreiübergreifend in der soziokulturellen Quartierarbeit. Das machte Sinn, denn das Einzugsgebiet des Vereins «Zusammenleben Maihof-Löwenplatz» war quasi zwischen Rotsee und Vierwaldstättersee definiert. Das Präsidium des ZML hat Beata Pedrazzini von mir übernommen und mit Chris de Carli den Verein ZML geleitet. Silvia Kuhn-Rüttimann hat die nahende Pensenreduktion proaktiv gelöst und 2008 eine neue Stelle angetreten.
Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den Pfarreien waren in der LAKS, im Luzerner Arbeitskreis der kirchlichen Sozialarbeit zusammengeschlossen. Fachlich waren wir der Fachstelle Diakonie unterstellt, personalrechtlich den Pfarreileitungen. Das war mitunter ein regelrechter Seilzieh-Akt. Mal pochten Pfarreien darauf, dass sie inhaltlich das Sagen hätten. Andere Pfarreien vertrauten darauf, dass die Ressourcen für die pfarreiübergreifenden Projekte, die über Jahre gewachsen waren und von der Fachstelle Diakonie geleitet worden sind, schon richtig eingesetzt wurden. Zum Glück gehörte der Maihof zu der zweiten Sorte. LAKS war eine institutionalisierte Arbeitsgruppe im sozialen Netzwerk der Stadt Luzern. Es gab einen regelmässigen Austausch auf Fachebene mit der reformierten Sozialberatung, der Sozialberatung der Caritas und dem Sozialdienst der Stadt Luzern. Für den Schwerpunkt Sozialberatung hatte ich eine Koordinationsfunktion inne. Seit Jahren wurde darüber diskutiert, die pfarreilichen Sozialberatungen der Kirche Stadt Luzern an einem Ort zusammenzulegen. Mit Christian Vogt, dem Leiter des Fachbereichs Soziale Arbeit, kam es 2017 zur Umsetzung. Nicht von ungefähr hat die neue Fachstelle Räume im MaiHof gefunden. Ein Jahr lang, bis zu meiner Pensionierung, habe ich den Start in der neuen Struktur mitgeprägt. Es wurde für mich zu einem runden Abschluss einer 16-jährigen Berufstätigkeit.
Brigitta Loosli-Schlipf / August 2021