Wie die Sozialarbeiterin Mirta Gardi zu einer lebenden Institution wurde

Mirta Gardi im Jahr 1995 an einer Sitzung in der Pfarrei (Fotos aus Pfarreiblatt St. Josef Ausgabe 4/2002)

Mirta Gardi übernimmt nach dem Abschluss ihrer Ausbildung zur Sozialarbeiterin eine 100 % Stelle in der Pfarrei Maihof. Das Pensum wurde von 50 auf 100 % aufgestockt, damit die Altersarbeit in der Pfarrei ausgebaut werden konnte. Das war ein grosses Anliegen von Pfarrer Adolf Stadelmann und die Autonomie, das selbst zu bestimmen, hatte er zu dieser Zeit auch noch.

Die Vorgängerin von Mirta hiess Martha Weber. Sie war gleichzeitig in der Pfarrei St. Karl angestellt und hat bis 1982 vollumfänglich dort gearbeitet. Schon dazumal war die pfarreiübergreifende Zusammenarbeit üblich.

Nebst der Anwesenheit bei den gut besuchten Altersnachmittagen und Ausflügen hat sich Mirta Gardi den Besuchen von Geburtstagsjubilarinnen und –Jubilaren gewidmet. So bekam sie Einblick in viele soziale Milieus und lernte Menschen kennen, die sie für eine freiwillige Tätigkeit in der Pfarrei gewinnen konnte. Naheliegend war für sie die Nachbarschaftshilfe. Mirta Gardi musste oft nur EIN Telefon starten, um jemanden zu finden, wenn in einer Familie die Mutter erkrankte und eine Familienhilfe nicht sofort zur Verfügung stand. Einkäufe, Begleitung zum Arzt und andere Anfragen für Hilfe konnten so geleistet werden. Die Vermittlung einer Familienhelferin bei der Familienhilfe der katholischen Pfarreien der Stadt gehörte auch zu ihren Aufgaben. Die Nachbarschaftshilfe wurde später durch den städtischen SOS-Dienst übernommen.

Mirta Gardi begleitete über längere Zeit eine Gruppe von Müttern mit behinderten Kindern, auch dies pfarreiübergreifend.

Ein Privileg der kirchlichen Sozialarbeit war und ist bis heute, dass diese sich genug Zeit für die Menschen nehmen kann. Dies ist umso wichtiger, wenn Probleme schon länger dauern. Finanzielle Probleme beispielsweise mit z.T. hohen Schulden brauchen viel Zeit für genaue Abklärungen.  Belege müssen eingefordert werden und entsprechende Kontrollmechanismen möglich sein. Ein stimmiger Lebensstil mit dem vorhandenen Geld muss oft mühsam gelernt werden. Und da gab es positive Erfahrungen. Wenn ein 50jähriger Mann im Januar vorbeikommt und freudestrahlend verkündet, dass dies seit Jahrzehnten das erste Neujahr gewesen sei ohne Schulden, dann hat sich die Arbeit gelohnt. Es war auch möglich jemanden REKA Ferien zu vermitteln, sodass die Kinder auch etwas zu erzählen hatten nach den Ferien. Der Vater hörte auf zu rauchen und sparte so auf die nächsten Ferien! Eine unabdingbare Voraussetzung für die Zusammenarbeit war immer EHRLICHKEIT. Es gab eigentlich keine Situation die überraschend war, nicht einmal die 100 000.—Franken Schulden eines Beamten. Und wenn ein suchtbetroffener Vater erstaunt feststellt, dass er im Laden ja an der Kasse vorbeigehen müsste, wenn die SA die Quittungen kontrollieren will. In diesem Fall war die Zusammenarbeit nur kurz.

Es war und ist auch wichtig die Menschen auf bestehende Hilfsangebote aufmerksam zu machen, z.B. Winterhilfe für Betten etc.

Viele Gespräche in Beziehungsproblemen, Fragen um Kindererziehung und am Arbeitsplatz usw. haben dazu beigetragen, dass die Menschen wieder etwas unbelasteter ihren Aufgaben nachgehen konnten.

Gesellschaftliche Veränderungen führten dazu, dass ein Teil des Engagements der kirchlichen Sozialdienste institutionalisiert wurde. Beispielsweise werden heute rund 90 Selbsthilfegruppen von der Fachstelle Selbsthilfe Luzern Nidwalden, Obwalden koordiniert und gecoacht. Die Geschäftsstelle hat Platz im ehemaligen Pfarrhaus im Maihof gefunden. Bis heute stärkt die Kirche Stadt Luzern den Stellenwert von sozialen Bewegungen in der Gesellschaft durch das zur Verfügung stellen von Räumlichkeiten. 1973 wurde elbe, die Fachstelle für Lebensfragen gegründet. Die Frauenzentrale hat hingegen schon eine längere Geschichte. Sie wurde 1963 gegründet und ihr Angebot wurde ständig erweitert. Auch die Fachstelle für Schuldenfragen hat eine wichtige Lücke im sozialen Netz gefüllt. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang das Projekt «Sozialkiosk», welches um die Jahrtausendwende von den kirchlichen Sozialdiensten auf die Beine gestellt worden ist. Ein Sozialrapport der Stadt Luzern hat herausgefunden, dass die Bevölkerung zu wenig über präventive Angebote zur Vermeidung oder Milderung von Armut informiert ist. Der Sozialkiosk war regelmässig an stark frequentierten Plätzen in der Stadt präsent und hat über das vorhandene Angebot von sozialen Fachstellen informiert. Die Aufgabe wurde später vom Sozial Info REX übernommen. So hat sich der kirchliche Sozialdienst mehr und mehr zum ergänzenden Angebot im sozialen Netzwerk der Stadt Luzern entwickelt und sich als Anlaufstelle positioniert für  Menschen, die durch die sozialen Netzwerke fallen.

Mit dem Jubiläum «50 Jahre kirchlicher Sozialdienst» im Jahre 2000 wurde die Pionierarbeit der Kirche gefeiert und gewürdigt. Zwei Jahre später ist Mirta Gardi nach 32 Berufsjahren in den wohlverdienten Ruhestand gegangen.

Brigitta Loosli-Schlipf, August 2021

 

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